Ein Viertel mit Arbeitergeschichte
Sham Shui Po (深水埗) im Nordwesten von Kowloon war traditionell ein Industrie- und Arbeiterviertel. Es bewahrt bis heute diese volkstümliche, dichte Atmosphäre, mit engen Gassen, Straßenmärkten und einem intensiven Gemeinschaftsleben.
Zudem ist es ein bedeutender Ort in der Migrationsgeschichte Hongkongs, wo sich über Jahrzehnte hinweg Familien vom chinesischen Festland niederließen.
Straßenmärkte und Recyclingkultur
Sham Shui Po ist einer der besten Orte, um thematische Märkte zu entdecken:
- Apliu Street: Gebrauchte Elektronik, Kabel, Telefone, Kleinteile, Gadgets
- Yu Chau Street: Kurzwaren, Garne, Stoffe, Nähzubehör
- Ki Lung Street: Stoffe und textile Materialien
- Pei Ho Street: Frischmarkt mit Obst, Fisch und Gemüse
Das Viertel ist bekannt für seine Do-it-yourself-Kultur, Reparaturen und Wiederverwertung.
Eine aufstrebende Kreativszene
Seit rund zehn Jahren zieht Sham Shui Po auch Designer, Kreative und unabhängige Cafés an:
- Alternative Modeläden, die Stoffe aus dem Viertel nutzen
- Coworking-Spaces und Designstudios
- Handwerkscafés, versteckt zwischen alten Gebäuden
- Denkmalprojekte wie das Jockey Club Creative Arts Centre (JCCAC), ein ehemaliges Industriegebäude, das zum Kulturzentrum wurde
Diese Mischung aus handwerklicher Tradition und zeitgenössischem Schaffen verleiht dem Viertel neue Vitalität.
Geschichte und Erinnerung
Sham Shui Po beherbergt mehrere historische Orte der Sozialgeschichte Hongkongs:
- Mei Ho House: Ehemaliges Sozialwohnhaus, heute Museum und Jugendherberge – zeigt die Entwicklung des Arbeiterwohnens in Hongkong
- Sham Shui Po Camp (nicht mehr erhalten): Ehemaliges Flüchtlingslager, später japanisches Internierungslager im Zweiten Weltkrieg
Diese Orte erinnern an die menschliche, fragile Dimension der rasanten Stadtentwicklung.
Atmosphäre und Alltag
Was in Sham Shui Po auffällt, ist das intensive, ungeordnete Straßenleben:
- Warteschlangen vor traditionellen Restaurants
- Alte, noch leuchtende Neonreklamen
- Improvisierte Verkaufsstände auf dem Gehweg
- Kleine taoistische Tempel eingezwängt zwischen Häusern
Hier erlebt man ein volkstümliches, generationenübergreifendes Hongkong, das im Tourismus oft fehlt.
Sham Shui Po erkunden
- Anreise: MTR-Station Sham Shui Po (Tsuen Wan-Linie)
- Zu Fuß: Am besten lässt sich das Viertel planlos durchstreifen
- Tipp: Kamera nicht vergessen, neugierig bleiben – vor allem bei Street Food!
Fazit
Sham Shui Po ist das echte Hongkong – in seiner Dichte, Kreativität, Erschöpfung und Menschlichkeit. Ein Viertel, das man erleben statt besichtigen sollte, in dem soziale Geschichte und zeitgenössische Energie täglich ineinanderfließen. Ein Ort, um Hongkong von innen zu sehen, ohne Fassade.
Blick vom Dragon Centre